2. Juli 2018

Meine Visionen …

Sechs Überlegungen für eine Schule, die unsere Kinder optimal auf die Herausforderungen des 21. Jahrhunderts vorbereitet:

1. Machen wir Schluss mit dem Akademisierungswahn!

Matura oder ein Hochschulstudium sind sicher nicht die alleinigen Mindeststandards der Zukunft. Es braucht auch die Stärkung der beruflichen Bildung, um dem immer größer werdenden Facharbeitermangel begegnen zu können. Länder mit den höchsten Maturanten- und Akademikerquoten weisen oft auch hohe Jugendarbeitslosigkeit auf. Machen wir Schluss mit dem Gerede, dass NMS-SchülerInnen RestschülerInnen seien. Es diffamiert SchülerInnen und LehrerInnen gleichermaßen und wird der Leistung beider nicht gerecht. Etwa die Hälfte der österreichischen MaturantInnen, hat eine NMS besucht.

2. Eine qualitätsorientierte Schule ist eine Schule des Wissens und der konkreten Inhalte – und nicht nur eine Schule der „Kompetenzen“.

Der Begriff „Kompetenz“ ist zum Modewort geworden, und – was viel schlimmer ist – „Kompetenzen“ ersetzen immer mehr den von der Aufklärung geprägten Bildungsbegriff. Doch Kompetenzen ohne Wissen sind wie Stricken ohne Wolle. Ohne konkretes Wissen kann es keine Kompetenzen geben. Ich bin für vernetztes und fächerübergreifendes Denken. Dies setzt aber solide fachliche Grundlagen voraus, sonst wird daraus eine Vernetzung von Nullmengen.

3. Wir brauchen eine Offensive für sprachliche Bildung.

Das Beherrschen der Sprache ist unter den Schlüsselqualifikationen die zentrale, denn alle Schlüsselqualifikationen haben mit Sprachbeherrschung und Sprachanwendung zu tun. Mir ist keine Kulturnation bekannt, die ihre Sprache in der Schule dermaßen vernachlässigt, wie wir das tun. An einem österreichischen Gymnasium entfallen nur rund 11% aller Unterrichtsstunden auf Deutsch.

4. Es gibt keine Bildungsoffensive ohne Erziehungsoffensive.

Die Schule kann nicht bessere Bildung vermitteln, wenn sich immer mehr Eltern aus ihrer erzieherischen Verantwortung verabschieden. Zu Schulerfolg gelangt man nicht ausschließlich im Klassenzimmer, er braucht auch eine entsprechende familiäre Atmosphäre. Leider gibt es in Österreich gerade hier massive Defizite, wie diverse Gesundheitsuntersuchungen belegen.

5. Die Ökonomisierung der Bildung ist ein Irrweg!

Bildungspolitik darf keine Unterabteilung der Wirtschafts- oder Finanzpolitik sein. Schule ist mehr als Standards oder PISA. Die Bildungspolitik muss sich wieder auf den Eigenwert des Nicht-Messbaren besinnen. Damit steht sie aber vor einer Herausforderung: Sie wird gezwungen, eine Wertung und Reihung von Wissen vorzunehmen. Eine solche Debatte sollten wir in Österreich führen – und nicht eine über Fragen der Schulorganisation. Und eine solche Debatte müssen wir führen, wollen wir nicht über kurz oder lang unsere kulturelle Identität verlieren.

6. Wir brauchen wieder Mut zur Leistung.

Wer das Leistungsprinzip in der Schule untergräbt, setzt eines der demokratischsten Prinzipien außer Kraft: In unfreien Gesellschaften sind Abstammung, Gesinnung, Geschlecht, Geld oder Ähnliches die Kriterien, die über die gesellschaftliche Stellung von Personen entscheiden. Freie Gesellschaften haben an ihre Stelle das Kriterium Leistung gesetzt. Ein solches Bekenntnis zur Leistung hat nichts mit der Forderung nach einer Ellbogengesellschaft zu tun. Ganz im Gegenteil! Ein funktionierender Sozialstaat ist ohne Leistungsprinzip weder vorstellbar noch finanzierbar.